Erschienen in KGS-Berlin im Februar 2017.
Der spirituelle Lehrer und Autor Frank Fiess hat ein neues Buch vorgelegt, das sich explizit mit der gelebten Praxis und hilfreichen, alltagstauglichen Übungen befasst. Dabei ist die Vertiefung der Verbindung zum eigenen Wesen, zur eigenen Seele, das Herzstück seiner Arbeit und Fokus seines neuen Buches: Heute ist Dein Tag!
Thomas Simon-Weidner: Frank, dein neues Buch, „Heute ist dein Tag“, widmet sich dem Thema der spirituellen Praxis im Alltag. Was hat dich motiviert, dieses ganz lebenspraktische Thema anzugehen – und warum ist gerade die alltägliche Praxis so wichtig?
Frank Fiess: Ich hatte in all den erfüllten Jahren meines Lehrens die Freude und auch die Ehre, einige tausend Menschen sehr nahe in ihrem Entwicklungs- und Wachstumsweg begleiten zu dürfen. In dieser über 30jährigen Zeit habe ich gelernt, Frauen und Männer mit ganz verschiedenen Methoden und Werkzeugen zu unterstützen. Dabei ist mir sehr klar geworden, dass nur das, was wir konkret leben, umsetzen und verkörpern können, wirklich wahr ist! Und so habe ich selbst mit täglichen Übungen begonnen. Die Begeisterung über die positive Wirkung dieser Praxis hat mich dann motiviert, die Übungen auch meinen Klienten nahe zu bringen.
Gib uns doch bitte mal ein Beispiel. Ich habe gerade wieder gelesen, dass sich gerade die Zeit am Morgen am besten für spirituelle Übungen eignet. Was kann ich also sinnvoller Weise tun zwischen Bettkante, Kaffeemaschine und Bad?
Dich ins Lot, in deine Mitte bringen und die bewusste Verbindung zur Erde und zum Himmel/Kosmos bekräftigen. Kosmos bedeutet sinngemäß „Ordnung.“
Durch Atemübungen, Körperübungen, Klänge, Lächeln, Gebet und Stille inneren Wesens/Seelen-Kontakt herstellen, bevor sich unser persönliches Hamsterrad wieder zu drehen beginnt.
Unser Wesens-/Seelenkontakt ist dem ICH BIN-Prinzip zugeordnet, also dem „Sein/Bewusstsein“. Dies ist das erste Wirkprinzip des Universums. Doch damit ist es in einem Menschenleben auf der Erde nicht getan. Das Leben fragt uns auch jeden Morgen neu, was wir wollen. Dabei sind Seele und Gefühl verbunden und Körper und Geist – Gedanken. Das zweite Wirkprinzip des Universums ist das „Ich-will-Prinzip“. Es betrifft unser Handeln. Es ist sehr kraftvoll, uns jeden Morgen und den Tag hindurch immer wieder mit unseren Herzenswünschen, Bitten, Zielen und Resultaten zu verbinden. Und zwar immer auf den 5 Schöpfungs-Ebenen: Atem, kristallklarer Gedanke, lächeln – inniges Gefühl und Bilder, in denen der Herzenswunsch im Hier und Jetzt schon verwirklicht ist und wir ihn mit großer Freude und mit allen Sinnen als vollkommen erfüllt erleben. Mein neues Buch ist voller Anregungen und im Begleit-Video werden die vorgeschlagenen Übungen genau gezeigt.
Ja, hier findet man viel, sehr viel, zum Ausprobieren und vielleicht ist die „spirituelle“ Dimension dieser Arbeit nicht immer sofort sichtbar – vielleicht auch schwer zu beschreiben. Doch was ganz konkret verbindest du mit (dem Begriff) Spiritualität?
Ich arbeite in meinen Seminaren und in meiner 3-jährigen Ausbildung immer auf den Ebenen des Körpers, der Gefühle, der Gedanken und der Seele. Dabei ist die Vertiefung der Verbindung zum eigenen Wesen, zur eigenen Seele, das Herzstück meines Engagements. Denn alle Sucht, alles Leid sucht immer Seele und Sinn!
Die Wunde des modernen Menschen und der äußerlich globalisierten Welt ist die Trennung von sich selbst/dem eigenen Selbst und der Verlust des Gefühls der Verbundenheit mit den anderen Menschen, den Tieren, den Ökosystemen und der Erde.
Spiritualität ist der leuchtende Kern der Liebe in jedem Wesen und gelebte Spiritualität bedeutet für mich, aus diesem inneren, göttlichen Wesenskern der Liebe heraus zu leben und zu wirken.
Du sagst, Verlust der Verbundenheit. Das heißt, diese Verbundenheit war vorhanden. Das hieße auch, jeder Leser versteht intuitiv, was du genau hier meinst. Ist mit allem verbunden zu sein nicht doch etwas anstrengend?
Dies ist ein wichtiger Aspekt jedes Heilungs- und Wachstumsweges, der oft nicht differenziert genug beachtet wird. Wir sind alle ganz normale Menschen aus Fleisch und Blut mit unseren Sorgen, Nöten, Hoffnungen und Sehnsüchten. Auf dieser Ebene ist es wichtig, dass wir lernen, Grenzen zu setzen, nein zu sagen und unser Recht auf „Eigenraum“ selbstbewusst zu leben. Hierzu gehört es auch abzuschalten und „die Sorgen, Kriege und Katastrophen“ um uns herum (Breitscheidplatz…) und auf der Erde (Syrien, Aleppo…) hinter uns zu lassen. Dadurch vermeiden wir es auszubrennen – und so können wir immer wieder loslassen und Kraft schöpfen.
Zugleich sind wir auch kosmische, universelle, göttliche Wesen. Schon das Wort Individuum bedeutet vom Sinn her „ein Ungeteilt und eins mit Allem zu sein“. Und auf dieser zweiten Ebene sind wir als Seelen und spirituelle Wesen immer mit Allem und Allen verbunden. Oder wie es indianische Kulturen ausdrücken: „Untrennbar eingewoben in das Heilige Gewebe des Lebens.“ Oder wie die Quantenphysiker sagen: „Teil der Matrix des Lebens und der Schöpfung.“
Welche spirituellen Traditionen inspirieren dich besonders?
Meine wichtigsten geistigen Lehrer sind Jesus, Buddha, Paramahansa Yogananda und Babaji. Bereichert und inspiriert haben mich die Lebenshaltungen des Tantra, des Schamanismus, die Human Potential/Human Growth Bewegung und in Bezug auf meine aktuelle Arbeit unbedingt auch Wilhelm Reich, mein wichtigster Lehrer in der Körperpsychotherapie, Jack Lee Rosenberg und Marshall Rosenberg.
Du praktizierst selbst neben deinen täglichen Übungen auch Yoga und das schon über viele Jahre. Es ist ja nicht leicht, seine eigene Entwicklung und Wandlung zu beschreiben, doch was genau wird durch die Praxis/Übung befördert?
Meine Übungen schenken mir seit vielen Jahren Gesundheit, ganz lebenspraktisch Wohlbefinden in meinem Körper und auch die beglückende Erfahrung, meine Lebensumstände und meine materielle Situation selbst gestalten zu können. Sie lehren mich, Körper, Gedanken, Gefühle und meine Seele als lebendige Einheit zu erleben. Für mich ist mein innerer Raum meine Heimat geworden. Dort erlebe ich die Liebe/Gott/die Göttin/den Großen Geist als Zustand des Friedens und des Leuchtens. Von dort aus kann ich sehr aufrichtig und klar betrachten, was meine verbliebenen Rest-Ängste und Hauptmuster sind und meine Verwicklungen und Identifikation damit immer weiter auflösen.
Mein Gottvertrauen und meine Liebe zu allem, was lebt und sind gewachsen. Durch meine tägliche Praxis bin ich ein Schüler der Liebe geworden, der immer tiefer und entschlossener lernt, der Liebe als einzig wirklichen Kraft des Universums zu dienen und treu zu sein. Meine Praxis lehrt mich, mir selbst und anderen zu vergeben und in Allem und Allen durch alle Urteile, Abwehr und Projektionen hindurch den leuchtenden, göttlichen Kern der Liebe zu erkennen.
Was wünscht du dir für dich, deine Arbeit, die Menschen hier in dieser Stadt für das kommende Jahr?
Für mich Gesundheit und Gottvertrauen, für meine Arbeit, dass ich den Menschen weiter dienen darf und dass viele Menschen zu mir kommen, um die Substanz meiner über viele Jahre gewachsenen Inhalte am eigenen Leib und in der eigenen Seele zu erfahren. Den Menschen in Berlin und Umgebung und auch allen LeserInnen der KGS Berlin wünsche ich Frieden, gegenseitige Wertschätzung und die Bereitschaft, immer wieder neu aufeinander zuzugehen, auch gerade, wenn es Herausforderungen gibt, unbeirrbar auf die gute Lösung ausgerichtet zu bleiben. Ich wünsche uns, die wachsende Fähigkeit über alle äußeren Unterschiede hinaus die Liebe im Anderen zu sehen: in dem Busfahrer, der Krankenschwester, dem Passanten auf der Straße, unserer Nachbarin, unserem Arbeitskollegen, dem geflüchteten Menschen, in dem, der eine andere politische Meinung vertritt – und uns bewusst zu sein:
Berlin ist die lebendigste, toleranteste und freiste Stadt in Deutschland – und es ist sehr schön hier zu leben!